Prinzipien des Buddhismus
Als Begründer des Chan-Buddhismus gilt der indische Mönch Bodhidharma. Er ist der 28. Nachfolger Buddhas. Bodhidharma wurde als dritter Sohn des Königs Sughanda um 440 n. Chr. in der Nähe von Madras geboren. Er war Krieger und buddhistischer Mönch. In China nennt man ihn Da Mo (Ta Mo), in Japan Daruma. Bodhidharma war in Staatskunde, höfischer Etikette, den buddhistischen Lehren und im Kuttu Varisai ausgebildet. Letzteres ist eine indische Kampkunst, die das spätere Shaolin Kung Fu wesentlich beeinflusste.

Bodhidharma verließ seine indische Heimat per Schiff und wanderte über den Himalaja nach China, wo er den chinesischen Kaiser Wu Di traf. Danach zog er in die Song Shan-Berge zum Shaolin Kloster. Berichten zufolge meditierte er dort neun Jahre lang in einer Höhle über dem Kloster, ehe er Erleuchtung erlangte. Aufgrund seiner eigenen Meditations-Praxis begründete Bodhidharma im Shaolin Kloster den Chan-Buddhismus, dessen erster Patriarch er wurde. Der Name „Chan“ kann als „Meditation“ oder „Versenkung“ übersetzt werden. Charakteristisch für den Chan-Buddhismus ist der Gedanke, dass Erleuchtung durch Versenkung und Meditation erreicht werden kann und man dadurch plötzlich und intuitiv das eigene innerste Buddha-Wesen erkennt.

Chan (japanisch: Zen) ist eine Form des Mahayana-Buddhismus, die sich auch mit taoistischem und konfuzianistischem Gedankengut anreicherte. Chinesisches Denken und indische Philosophie flossen in einander und entwickelten sich zu einer eigenen geistigen Disziplin, die vor allem die praktischen Aspekte des Buddhismus betonte. Übung und persönliche Erfahrung werden über das Studium von Schriften gestellt.

Als Ausgleich zum stundenlangen sitzenden Meditieren entwickelte Bodhidharma Körperübungen für die Shaolin Mönche. Weil er nicht nur Mönch, sondern ebenso Krieger war, hatten diese Übungen teilweise einen sehr kämpferischen Charakter (Shaolin Kung Fu). Auch in der Kampfkunst liegt das Hauptgewicht auf praktischen Übungen und der Lenkung des Geistes.

Bodhidharma verfasste zwei Sutras (Leitfäden) – Yi Jin Jing und Xi Sui Jing. Die Yi Jin Jing-Übungen – bekannt als Shaolin Qi Gong – dienen zur Lockerung und Gesunderhaltung des Körpers und ermöglichen in Kombination mit Atemtechniken die Lenkung des Qi, der Energie. Xi Sui Jing beinhaltet geistige Übungen, um das Qi zu steuern, und wurde bis vor wenigen Jahren noch streng geheim gehalten. Es erfordert jahrelange, wenn nicht jahrzehntelange Übung. Darüber hinaus werden 18 Grundübungen Bodhidharma zugeschrieben, die zur Basis des Shaolin Kung Fu wurden. Ebenfalls erhalten blieb die Form Luohan Shiba Shou, die direkt auf Bodhidharma zurückgeführt wird. „Luohan“ bedeutet „Schüler von Buddha“. „Shiba“ ist die Zahl „18“. „Shou“ heißt wörtlich „Hand“ und steht für die verwendete Technik. Ergänzend zu diesen Übungen führte er das Wu Dé (Die Tugenden der Kampfkunst) im Shaolin Kloster ein, das bis heute Gültigkeit besitzt. Wu Dé setzt sich zusammen aus Wu Shu (Kampfkunst) und Dao Dé (Tugendhaftigkeit). Kampfkunst geht über das Erlernen gewisser Bewegungsabläufe hinaus, sie ist auch eine Form der Lebens- und Geisteshaltung. Geduld, Beharrlichkeit und ein starker Wille sind nötig. Nicht ein äußerer Gegner wird dabei überwunden, sondern der Übende überwindet sich selbst, schult seinen Charakter, seinen Geist und seinen Körper.

Um 1200 gelangte der Chan-Buddhismus nach Japan und wurde zum Zen-Buddhismus, zu einer Erneuerungsbewegung innerhalb des Buddhismus. Die im Laufe der Jahrhunderte entstandenen Schriften, Mythen und Regeln wurden als Ballast auf dem Weg zur Erleuchtung empfunden. Zen betrachtet das logisch-analytische Denken als Falle. Es betrachtet das Leben nicht als logisch, sondern als schöpferisch. Die Wahrheit liege jenseits der Worte. Die Gesetze des Lebens seien nur intuitiv und mit dem Blick auf das Ganze zu erfassen, das logische Denken sei dualistisch und stehe der Erleuchtung im Wege, ist die Auffassung des Zen. Logik wird mit Anstrengung und Mühe verbunden, Leben sei jedoch eine Kunst und solle wie jede Kunst selbstvergessen, ohne Qual und Anstrengung praktiziert werden. Zen stellt die angeborene Freiheit des Menschen und die Ganzheit seines Wesens in den Mittelpunkt. Der freie Mensch ist nicht an äußere Regeln und nicht an Logik gebunden.

Diese Auffassung des Lebens äußert sich auch in den so genannten Koans, den jenseits der Logik liegenden Aussprüchen und Fragen des Zen. Sie sollen dem Geist helfen, die Schranken des Intellekts, der Vernunft und des dualistischen Denkens zu überwinden, um so zu einer höheren oder erweiterten Form der Wahrnehmung zu gelangen. Zen strebt Einsichten jenseits des Verstandes an. Die Aufmerksamkeit wird ganz auf den gegenwärtigen Augenblick fokussiert, in dem das Bewusstsein aufgeht. In der Ewigkeit des Augenblickes verlieren Vergangenheit und Zukunft ihren Einfluss auf den Geist und das „Ich“ verschwindet.

Der angestrebte Zustand der Erleuchtung ist zugleich auch der Beginn eines neuen Lebens, eine intuitive Schau und Einsicht in das eigene Wesen und das Wesen der Welt jenseits von Dualität, Logik, Raum und Zeit. Dieses Erleben wird im japanischen „Satori“ genannt. Angestrebt wird eine völlige geistige Umwälzung, die zu einer vollkommenen inneren Freiheit und Bejahung des Lebens führt und die nicht allein durch Meditation, Kontemplation, Ekstase oder Trance erreicht werden kann. Zen macht noch klarer als andere Richtungen des Buddhismus, dass Erleuchtung der natürliche Zustand des Geistes ist und im Alltag wirkt. Er führt nicht zu Weltflucht, sondern ist ein Weg der aktiven Teilnahme an der Welt und lässt den Alltag in neuem Glanz erstrahlen. Die Vollendung des Zen besteht darin, das tägliche Leben natürlich und spontan zu leben. Eine Auffassung, die im Taoismus wurzelt, aber mit dem Buddhismus eng verbunden ist. Dahinter steckt der Glaube an die Vollkommenheit unserer ursprünglichen wahren Natur und die Erkenntnis, dass Erleuchtung bedeutet, bewusst das zu werden, was wir von Natur aus sind und von Anbeginn an waren.

In Zen-Klöstern ist Arbeit ein wesentliches Element des mönchischen Lebens und bildet das Gegengewicht zur Meditation. So wird der Körper frisch und lebendig und der Geist nah am praktischen Leben gehalten. Im Laufe der Jahrhunderte sind jedoch auch in Zen-Klöstern strenge Regeln und zahlreiche Schriften entstanden, wodurch sich Zen heute vom Ursprung des Zen-Buddhismus wieder entfernt hat. Meditation wird im Zen „Sazen“(Sitzen) genannt und in Zen-Klöstern täglich viele Stunden lang praktiziert. Richtige Haltung und richtiges Atmen sind dabei wesentlich. Körper und Geist werden zu einer harmonischen Einheit verschmolzen.

Da der Zen-Buddhismus sich als nicht getrennt vom äußeren Leben betrachtet, hatte er auch einen großen Einfluss auf die japanische Lebensweise und Kunst wie Malerei, Kalligraphie, Gartenarchitektur, Kunsthandwerke und Teezubereitung, aber auch auf die kriegerischen Künste wie Bogenschießen, Schwertfechten und Judo. All diese Wege werden als Wege zur Erleuchtung betrachtet und dienen dazu, den Geist zu trainieren und auszurichten. Charakteristisch für alle Wege sind Spontanität, Einfachheit und die totale Gegenwärtigkeit des Geistes. Alle Wege erfordern technische Perfektion. Wirkliche Meisterschaft wird jedoch erst erreicht, wenn die Technik hinter sich gelassen und die Kunst zu einer kunstlosen Kunst wird, die aus dem Unbewussten entsteht.